P olitik-Hure

von Klaus Becker, Kasseler Extra Tip

Als Willy Brandt vor über 30 Jahren den ersten "Machtwechsel" in der Bundesrepublik einleitete, hieß das frohgemute Motto: "Mehr Demokratie wagen!"
Zur Demokratie, das haben wir ja alle gelernt, gehört ja untrennbar die sogenannte "Gewaltenteilung".
In einem Rechtsstaat sind eigentlich die ausführende Gewalt - die Regierung - die gesetzgebende Gewalt, - das Parlament - und die Rechtsprechende Gewalt, sprich die Justiz, voneinander getrennt. Stehen in einer ausgewogenen Balance zueinander. Kontrollieren sich wechselseitig. Und verhindern so, daß absolute Macht entsteht, die bekanntlich, nach einem Spruch des großen englischen Historikers Lord Acton "absolut korrumpiert". Sind wir schon so weit?
Daß es schon lange mehr keine Trennung gibt zwischen Regierung und Parlament, genauer dessen Mehrheit, das wissen wir ja. Denn darüber, wie die Abgeordneten abstimmen, wird nicht im Parlament entschieden, sondern das wird im Kanzleramt festgelegt. Oder bei den Grünen von deren jeweils obersten Führer. Und da hat sich bislang ja einer immer durchgesetzt.
Die Verteilung der Gewalten zwischen Regierung und Parlament ist eine Farce. Das vielzitierte Gewissen, dem die Abgeordneten laut Verfassung in erster Linie verantwortlich sein sollten, ist längst durch ein Machtwort der Regierungs-Gewaltigen ersetzt worden. Ein Verfassungsbruch, den keine der politischen Parteien anklagt. Den sie zu verantworten haben. Ungesühnt.
Zur Zeit werden wir von zwei Parteien regiert, die sich als "links" verstehen. Deshalb als besonders demokratiefreundlich angesehen sein wollen. Und ausgerechnet unter einer solchen Regierung wird auch die dritte Gewalt ganz offenkundig und ungeniert zur Hure der Politik gemacht. Denn wie anders soll man jenen Vorgang erklären, der sich da kürzlich bei den Neuwahlen von Richtern zum Bundesgerichtshof, also immerhin der obersten Instanz in ordentlichen Gerichtsverfahren, abspielte. Dort wurden zwei Richter - der eine von den Grünen vorgeschlagen, die andere von der SPD nominiert - gewählt. Obwohl ihnen ihre Richter-Kollegen vom Bundesgerichtshof selbst die schlechteste aller denkbaren Noten gegeben hatten: "Fachlich nicht geeignet".

Macht nichts, sagten die Damen und Herren Politiker, daß sind unsere treuen Parteigänger, die kommen dahin! Es ist ungefähr so, als ob jemand, der an der Uni gerade durchs Examen gefallen wäre, durch Machtspruch von oben zum Professor im selben Fach ernannt wird. Ausgerechnet rot-grün besitzt die Schamlosigkeit, oder genauer jenen durch keinen Anstand gebremsten Machtwillen, die dritte Gewalt so offenkundig zu demontieren. Und in den Augen der Bürger, die ja schließlich von deren Sprüchen abhängig sind, der Glaubwürdigkeit zu berauben. Die CDU macht da noch mit. Denn ohne sie wäre ja die notwendige Zwei Drittel Mehrheit im zuständigen Richterwahlausschuß nicht zustande gekommen.
Wir haben ja bislang schon immer geahnt, daß die Parteien in ihrer unendlich Gier, alle entscheidenden Positionen zu besetzen, vor keinen demokratischen Prinzipien halt machen. Über Demokratie reden, aber sie zugleich auf den Müll befördern.
Keine offene Machtübernahme: eine schleichende Aushöhlung der demokratischen Prinzipien. So sind denn auch die Sprüche vieler oberen Instanzen geprägt durch feiges Kuschen vor den politisch Mächtigen, vor einflußreichen Interessensverbänden. Durch Schielen nach Vorteilen. Kein Wunder auch, denn in politischen Parteien haben bekanntlich die Opportunisten die besten Chancen. Wenn sich das in der Rechtssprechung fortsetzt, dann müssen wir es erleiden.
Aber die Schamlosigkeit hat ja immer ein doppeltes Gesicht: Sie mag zwar anstößig wirken, ist aber auch ehrlich. Und bei dieser Richterwahl, die so offenkundig alle Gebote der Fairneß mit Füßen trat Fairneß gegenüber den fachlich besser geeigneten Kandidaten - ist ja auch eine kräftige Portion Offenheit enthalten.
Wir pfeifen auf die Demokratie, auf die Gewaltenteilung, wir pfeifen auf fachlich Kenntnisse, auf Qualifikation! Das ist für Sonntagsreden. Ansonsten gilt unser Machtwille - und sonst gar nichts.

Wir reden von der Demokratie. Beschwören sie immer wieder, aber wir machen sie zum Spielball, zum Fußabtreter unserer Interessen. Wie tief sind unsere politischen Parteien gesunken! Gerade die, die sich als der Hüter der Demokratie offenkundig mißverstehen, entpuppen sich als die schlimmsten Übeltäter.